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Die Laurasage
Text: Transkript aus dem Schlierer Heimatbuch nach Josef Heiß „Die Welfensage“
„Zu jener Zeit, als noch kühne Ritter auf festlichen Turnieren ihre Lanzen brachen, als edle Sänger auf gastlichen Burgen das Lob der Frauen sangen, als noch jede Burg ein kleines Königreich war, da lebte auf der Haslachburg der alte Ritter Dagobert, ergraut in Fehden und Kampfgewühl, nach mancherlei Zügen nach Italien und zum Heiligen Grab eines ruhigen Alters pflegend. Sein treues Weib uns sein einziger Sohn, den die Sarazenen erschlagen hatten, waren ihm längt zum ewigen Frieden vorausgegangen. Nur eine Freude war ihm geblieben. Der Edelmann hatte ein Töchterlein, lieblich von Gestalt wie ein Gotteswunder. Ihre Stimme tönte wie Nachtigallengesang; braun wie die des Rehes waren die Augen, weiß wie frischgefallener Schnee ihre zarten Hände, gottesfürchtig und tugendsam war allzeit ihr Wandel. Sie hieß Laura. Überm Tal und der Scherzach drüben stand Ritter Adalberts Burg, die Wildenegg. Von Jugend auf waren die Spielgenossen Adalbert und Laura einander hold. Als aber der junge Ritter von seinen Zügen heimkehrte und Laura als blühende Jungfrau wiederfand, da hielt Minne Einkehr in beider Herzen. Dagobert freute sich, und so verlobten sie sich. Schon stand der Tag bevor, dass die Verlobten vom Hauskaplan in der Burgkapelle sollten getraut werden. Freudetrunken waren die beiden ob des nahen Glücks, und Wonne im Herzen trabte Adalbert am Vorabend der Vermählung auf seinem treuen Ross von der Haslachburg heimwärts. Währenddessen kamen schwarze Wolken über das Tal heraufgezogen. Immer finsterer wurde der Himmel, kein Sternlein war zu sehen. Blitz auf Blitz durchzuckte die pechschwarze Nacht. Schwer prasselte der Regen nieder und wuchtig zauste der Sturmwind die hohen Tannenwipfel und schüttelte die trotzig knarrenden Eichen. Da schlug mit rasendem Rollen ein Blitzschlag in die Haslachburg. Augenblicklich stand diese in lohenden Flammen. Der greise Dagobert lag betäubt, das Gesinde floh. Mit aller Kraft entriss Laura den alten Vater den drohenden Flammen. Doch der gab in ihren Armen den Geist auf. Indes, als Adalbert die Haslachburg in Flammen sah, wendete er sein Ross und jagte in Windeseile dorthin zurück. Doch als er über die Scherzach ritt, da war diesem vom Wolkenbruch so stark angeschwollen, dass sie die Brücke samt dem Reiter in die Tiefe riss. Längst hatte Laura hilfesuchend nach dem Geliebten gespäht und oftmals in Sturm und Donner hinaus seinen Namen gerufen. Da, im fahlen Blitzstrahl, sah sie ihn mit den Wogen ringen und gerade in den Wellen verschwinden. Von furchtbarem Leid betäubt, stürzte sie ihm nach in den brausenden Waldstrom, um mit ihn, der auf Erden ihr Liebstes gewesen, das nasse Grab zu teilen.
Seitdem will manch Wanderer zur Mitternacht eine Schattengestalt in weißem Gewand den steilen Burgpfad herab zum großen Stein wandeln gesehen haben. Ja, in heiligen Zeiten soll sie, ihrer Erlösung harrend, bin in den Flecken gekommen sein. Auch erzählt die Sage: Das Edelfräulein Laura, mit weißem Kleid angetan, einen Bund Schlüssel tragend und ein Wasserkrüglein haltend, erscheint zu heiligen Zeiten an einem Brunnen an der Scherzach und schöpft Wasser, also sprechend: „Ich muss die Linde tränken so lang, bis der Baum erstarkt ist. Alsdann wird aus dem Baum eine Wiege gefertigt und dasjenige Kind, welches in der Wiege liegt und auferzogen wird, erlangt von Gott die Gnade mich zu erlösen. Daraufhin entschwindet sie wieder im Lauratal.“