Hauptbereich
Die Blutreitergruppe Schlier
Seit jeher haben sich Schlierer Bauern – als Untertanen des Reichsstifts Weingarten – am Blutritt in Weingarten beteiligt. Im Jahr 1907 kam es dann auch innerhalb der Pfarrei St. Martin zur Gründung einer eigenen Blutreitergruppe. Die Gründung ist eng verbunden mit dem Gründungsgedanken der Musikkapelle Schlier im Jahr 1906, die Blutreitergruppe beim jährlichen Blutritt zu begleiten.
Heute, jedes Jahr am „Blutfreitag“, dem Freitag nach Christi Himmelfahrt, nimmt die Blutreitergruppe mit 30 bis 40 Reitern und den Musikantinnen und Musikanten des Musikvereins am Blutritt teil und ehrt so die Heilig-Blut-Reliquie, die sich seit über 950 Jahren in der Weingartener Basilika befindet. Der Blutritt ist eine Prozession zu Pferd und gilt als die größte Reiterprozession Europas. Die Reliquie wurde von Judith von Flandern, der Gemahlin von Welf IV. von Ravensburg, im Jahre 1094 gestiftet, was auch gleichzeitig die Begründung des Klosters Weingarten bedeutete.
Seit der Gründung gilt die enge Verbundenheit der Schlierer Blutreiter dem Blutritt und den Blutreiterkameraden. Über 100 Jahre Blutreitergruppe Schlier bedeuten auch über 100 Jahre Gebet – bitten, danken und hoffen, Krieg und Frieden, Mut und Verzweiflung, Freude und Trauer aber auch Sonnenschein und Regen waren dabei die Begleiter der Generationen an Blutreitern. Dieses Andenken, die Tradition und den Glauben mit der Andacht beim Blutritt möchte die Blutreitergruppe Schlier bewahren.
Im Jahr 1985 wurde das Friedenskreuz der Blutreiter errichtet, das an Jesus Christus, den Erlöser, erinnert. Mit diesem Kreuz und der Teilnahme am Blutritt ehren die Blutreiter dieses Vermächtnis.
Die bisherigen Gruppenführer der Blutreitergruppe Schlier
- 1907—1915
Josef Gomm, Mühlenreute - 1920—1932
Konrad Fiederer, Schlier - 1933—1969
Gebhard Pfleghar, Albisreute - 1970—2004
Manfred Gapp, Schlier - seit 2005
Eugen Erath, Wetzisreute
Video
2021 sendete der Musikverein Schlier e. V. an die Blutreitergruppe einen „virtuellen musikalischen Gruß“ mit dem „Coburger Marsch" – einem traditionell gespieltem Marsch bei der Reiterprozession – da aufgrund der Corona-Pandemie in diesem Jahr der Blutfreitag ausfallen musste. Danke an den Musikverein Schlier für die Einverständnis, dieses Video hier abspielen zu dürfen.
Um das Video abspielen zu können, müssen Sie die dafür notwendigen Cookies in Ihrem Browser akzeptieren. Ganz unten am Ende der Seite auf Cookies klicken, bei Youtube einen Haken setzen und speichern.
Zur Geschichte der Schlierer Blutreitergruppe
Als Manfred Gapp 1970 die Gruppe übernahm, haben aus der Pfarrei Schlier gerade noch 12 Reiter am Blutritt teilgenommen. Die Pferdehaltung in der Gemeinde wurde immer weniger und so beschloss die Gruppe, Leihpferde von außerhalb der Gemeinde zu organisieren. Bis nach Memmingen und die Vororte von Kempten, sowie die Gegend um Ochsenhausen mussten die Blutreiter fahren, um Pferde für den Blutritt zu bekommen. Es hat viel Arbeit und Kraft gekostet, bis das Vertrauen der uns fremden Pferdebesitzer gewonnen war. Aber es hat sich gelohnt. Viele Freundschaften sind entstanden und werden weiter gepflegt, auch mit evangelischen Bauern, die diese Wallfahrt zum Hl. Blut nicht pflegen, aber dann meistens als Pilger den Blutritt miterleben.
Damit jährlich 20–30 Leihpferde für 3 Tage untergebracht werden können, musste ein Quartier gesucht werden. Der erste Quartiermeister war Christian Beck aus Wetzisreute. Nach dem Abbruch seines Stallgebäudes stellte der langjährige Blutreiter Matthäus Engstler aus Albisreute, seinen Stall zu Verfügung. Seit 1998 ist der Hof der Familie Pfleghar in Albisreute das Quartier für die Leihpferde der Gruppe und Erich Pfleghar ist der Quartiermeister, der hier seinem Vater Erich Pfleghar sen. im Amt nachfolgte.
Durch dieses gemeinsame Quartier und Organisation der Pferdebeschaffung, wuchs die Gruppe zu einer starken Gemeinschaft zusammen. Zuerst wurde eine große Ministrantengruppe aufgebaut, die danach den Kern der Gruppe bildete. Ca. 10–14 Ministranten aus beiden Kirchengemeinden, St. Martin Schlier und Mariä Himmelfahrt Unterankenreute, beteiligen sich am Blutritt. Seit Mitte der 1970er-Jahre reiten immer mehr Reiter aus Unterankenreute mit der Gruppe Schlier, so dass man heute eigentlich von der Blutreitergruppe Schlier-Unterankenreute sprechen müsste. Hauptsächlich Landwirte, Söhne von Landwirten, Ministranten, ehemalige Ministranten und Kirchengemeinderäte bildeten die Gruppe. Heute besteht die Gruppe aus circa 35 Reitern.
Die Blutreitergruppe beteiligt sich neben dem Blutritt in Weingarten auch am Heilig-Blut-Fest in Bad Wurzach, sowie an den Fronleichnamsprozessionen in Schlier und Unterankenreute. Jährlich um den 11. November (Hl. Martinus) wird in der Kapelle von Wetzisreute der verstorbenen Blutreiter und Wohltäter gedacht.
Die Standarten
Bereits im Gründungsjahr 1907 waren von den Familien Habnit-Hagen (Schlier) und Kugelschafter (Richlisreute) zwei Standarten gestiftet worden, welche den Guten Hirten und Hl. Martin zeigen. 1911 kam ein Heilig-Blut-Fähnlein von Herrn Oberhofer dazu. Anläßlich der Altarweihe von 1964 wurden zwei weitere Standarten geweiht, welche von den Familien Georg Rist (Albisreute) und Franz Miller (Schlier) gestiftet worden sind und die Hll. Joseph und Martin zeigen.
Ablauf des Blutfreitags für die Blutreitergruppe Schlier
Für die Blutreitergruppe beginnen die Vorbereitungen bereits einige Tage vor dem Blutfreitag. Bereits am Dienstag trifft man sich im Quartier für die Pferde – auf dem Hof Pfleghar in Albisreute – um dort den Stall vorzubereiten.
Am Mittwoch vor Christi Himmelfahrt werden die Leihpferde von ihren heimischen Ställen innerhalb und außerhalb der Gemeinde nach Albisreute transportiert.
An Christi Himmelfahrt selbst findet vormittags ein Proberitt statt, bei welchem die Blutreiter meist in der Nähe von Dietenbach und Katzheim auf die Musikantinnen und Musikanten der Musikkapelle Schlier treffen, welche ebenfalls seit ihrer Gründung im Jahr 1906 am Blutritt in Weingarten teilnehmen. Der Gründungsgedanke beider Gruppen war es, das Hl. Blut in Weingarten zu ehren. Die Mitglieder beider Gruppen verbindet dadurch eine tiefe Freundschaft.
Nach dem Proberitt findet auf dem Hof Pfleghar ein Frühschoppen statt, zu welchem die Gemeinde herzlich eingeladen ist. Die Musikkapelle spielt ein Platzkonzert und die Blutreitergruppe sorgt für das leibliche Wohl.
Im Anschluss putzen die Blutreiter iIhre Pferde und Zaumzeug und bereiten sich auf den kommenden Blutfreitag vor.
Bereits um 4.00 Uhr morgens treffen sich die Reiter am Blutfreitag im Stall zum gemeinsamen Frühstück und Satteln der Pferde. Kurz nach 5.00 Uhr beginnt der ca. einstündige Anritt durch das Lauratal nach Weingarten.
Bei Sonnenaufgang werden die Blutreiter vom Klang der Hosanna-Glocke aus der Basilika in Weingarten begrüßt. Danach warten sie im Hof der Basilika oder in einer der umliegenden Straßen, bis sie sich zusammen mit den Musikantinnen und Musikanten des Musikvereins in die Blutfreitagsprozession einreihen und den Segen des Heiligen Blutes erhalten.
Für die Prozession durch die Stadt und die Fluren um Weingarten, bei welcher im Ösch stets ein Psalter aus drei Rosenkränzen gebetet wird, sind die Blutreiter etwa drei Stunden unterwegs, bevor sie sich wieder auf den Heimweg nach Schlier machen und zusammen mit ihren Pferden den Segen des Heiligen Blutes in die Gemeinde tragen.
Über den Urspung des Blutritts in Weingarten
Der Blutritt im oberschwäbischen Weingarten gilt als größte Reiterprozession Europas und findet am Freitag nach Christi Himmelfahrt, dem sogenannten Blutfreitag, statt.
Er wurde 1529 erstmals schriftlich erwähnt und bereits damals als Brauch „von alt her“ bezeichnet.
Die Abtei Weingarten beherbergt seit über 950 Jahren eine Heilig-Blut-Reliquie: einige Tropfen Blut in einem Erdklumpen, angeblich das Blut Jesu Christi. Das Reliquiar befindet sich in der Weingartener Klosterkirche. Am Blutfreitag trägt der Heilig-Blut-Reiter das Reliquiar durch Weingarten und das Umland.
Die Heilig-Blut-Reliquie in Weingarten enthält der Legende nach das Blut Jesu von Nazaret. Dieser wurde um das Jahr 30 oder 31 auf dem Hügel Golgota gekreuzigt. Ein römischer Legionär, der später als Longinus bekannt wurde, stieß, um den Tod des Sohn Gottes festzustellen, seine Lanze tief in die Seite des Gekreuzigten. Dabei tropfte das Blut Jesu Christi auf das Gesicht des Legionärs und erleuchtete ihn. Longinus nahm einige der Blutstropfen auf, vermischte sie mit der Erde Golgotas und verwahrte diese in einem bleiernen Kästchen.
Nachdem er von den Aposteln getauft worden war, verließ er Jerusalem und fuhr mit dem Schiff ins italienische Mantua, wo er das Christentum predigte und verfolgt wurde. In Not und Bedrängnis gekommen, versteckte er das Kästchen und erlitt wenig später den Märtyrertod.
Dem blinden Adilbero offenbarte sich eines Tages die Stelle des Verstecks. Diese Kunde drang bis zum Kaiser. Kaiser, Papst und Herzog von Mantua ließen sich von Adilbero das Versteck der Reliquie zeigen. Dieser erhielt sein Augenlicht zurück. Um die Reliquie entbrannte jedoch eine blutige Auseinandersetzung. Das Streitobjekt wurde infolgedessen geteilt: Ein Stück für Papst Leo IX., eines für den Herzog von Mantua und ein drittes für Kaiser Heinrich III.
Die Legende hält einer historischen Untersuchung nicht stand, vielmehr endete die frühchristliche Verfolgung Longinus` in Kappadokien. Die Reliquie und seine Gebeine kamen 553 als Gegengeschenk von Konstantinopel an die Stadt Mantua. Als Mantua 580 ein Jahr lang von den Langobarden belagert wurde, wurde die Reliquie an einem geheimen Ort verborgen und 804 wieder aufgefunden.
Papst Leo III. (795–816) und Karl der Große (768–814) ließen die Reliquie daraufhin prüfen. Die Blutreliquie wurde geteilt. Während der Belagerung Mantuas 923 durch die Ungarn wurden die Teile abermals verborgen: der größere Teil zusammen mit den Longinusreliquien im Garten des Andreashospitals, der kleinere Teil in der alten Kirche des hl. Paulus nahe der Kathedrale (aufgefunden 1479).
Am 12. März 1048 wurde der größere Teil der Blutreliquie und der Gebeine des Longinus in Mantua gefunden. Papst Leo IX. (1049–1054) berief 1053 eine Kirchensynode in Mantua ein und wollte die Reliquie des kostbaren Blutes nach Rom mitnehmen. Wegen des Widerstandes der Mantuaner kam es zu einer zweiten Teilung der Heilig-Blut-Reliquie, sodass ein Teil in Mantua verblieb, der andere nach Rom gelangte. 1055 kam Kaiser Heinrich III. (1039–1056) nach Mantua und erhielt einen weiteren Teil der Blutreliquie.
Als der Kaiser 1056 starb, wurde die Reliquie Graf Balduin V. von Flandern (1035–1067) als Zeichen der Versöhnung vermacht. Dieser schenkte es seiner Verwandten Judith(1032–1094). Sie war in zweiter Ehe mit Welf IV. v. Ravensburg verheiratet. Als dieser in den Kreuzzug zog, übergab sie die Blutreliquie Walicho (1088–1108), Abt des Klosters Weingarten, der Lieblingsstiftung und Grablege der Welfen.
Die Übergabe der Reliquie datiert auf den 31. Mai 1090 bzw. den 12. März 1094. Angeblich war der Tag der Freitag nach Christi Himmelfahrt und ist damit Ursprung des Blutfreitags und des Heilig-Blut-Ritts. Die Übergabe ist als Relief auf der Hosannaglocke in der Basilika St. Martin dargestellt.