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Lebensraum Streuobstwiese
Text: Hannah Böhmer und Tanja Westernacher, Landschaftserhaltungsverband Landkreis Ravensburg e. V.
Eine Streuobstwiese ist eine Ansammlung von Obstbäumen unterschiedlicher Arten und Sorten sowie in der Regel unterschiedlichen Alters. Die hochstämmigen Bäume sind meist locker, jedoch regelmäßig über eine Fläche „gestreut“. Der Unterwuchs wird häufig extensiv genutzt, z. B. als Mähwiese zur Heugewinnung oder als Viehweide. Der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in Streuobstwiesen ist unüblich.
Lebensraum Streuobstwiese – ein Hotspot der Biodiversität
Streuobstwiesen gehören in Mitteleuropa bei extensiver Nutzung zu den artenreichsten Lebensräumen. Charakteristisch sind ihre vielfältigen Strukturen und ihr mehrschichtiger Aufbau, der sich aus der Kombination von hochstämmigen Obstbäumen und krautigem Unterwuchs bildet. Sie stellen in dieser Form ein vielgestaltiges Mosaik verschiedener Kleinbiotope mit einem insgesamt hohen ökologischen Wert dar. Vögel, Insekten und viele andere Kleinlebewesen bevölkern Stämme, Blüten, Knospen und Früchte der Obstbäume. Auf dem Stamm findet man z. B. das Jagdrevier verschiedener Spinnen. Er beherbergt aber auch zahlreiche Käferarten, von denen sich einige vom Holz der Bäume ernähren. Eine Vorliebe für die verlassenen Fraßgänge der Käfer haben beispielsweise Wildbienen, die sie als Niststätte nutzen. In den Rissen und Spalten der Baumrinde entwickelt sich die nächste Heuschreckengeneration der Gemeinen Eichenschrecke. Von Leben wimmelt es auch in den darunterliegenden Wiesen, sofern diese extensiv genutzt werden. Sie stehen in vielfältiger Beziehung zur „Baumetage“. Die artenreiche Vegetation der Wiesen und Weiden ist Lebensraum und Nahrungsquelle für viele Wirbellose. Angelockt vom reichhaltigen Nektar- und Pollenangebot vieler Streuobstwiesen, bilden blütenbesuchende Insekten die Grundlage für andere räuberische Insekten. Auf einer höheren Stufe in der Nahrungskette folgen insektenfressende Kleintiere wie Spitzmaus und Igel sowie Vögel.
Weitere Informationen über den Lebensraum Streuobstwiese bietet die Seite des NABU Baden-Württemberg.
Pflege der Streuobstwiesen
- Zwei- bis dreimalige Mahd mit Abfuhr des Schnittmaterials, alternativ: extensive Beweidung
- Ersatzpflanzungen zur Sicherung der Bestände
- Regelmäßiger Baumschnitt (Auslichten und Holzverjüngung)
- Erhaltung einiger abgängiger Bäume oder Baumruinen erwünschenswert
Zeitstrahl: Obstbäume – seit Jahrtausenden Teil unserer Kulturlandschaft
- Steinzeit (ca. 4.500 v. Chr.)
Wildobst dient der menschlichen Ernährung. - ab Christi Geburt
Die Römer brachten Kulturformen nach Mitteleuropa. Deren Anbau war auf Gärten beschränkt. - Mittelalter
Obstbau wird vor allem in karolingischen Gütern und Klosterkirchen betrieben. Karl der Große (747—814) erlässt Verordnungen zum Anbau. - 15. und 16. Jahrhundert
Ausdehnung des Obstbaus in die freie Landschaft. Übergang vom Liebhaber- zum Wirtschafts- und Verwertungsobstbau. - 30-jähriger Krieg (1618—1648)
Zerstörung und mangelnde Pflege des Streuobstes und des Obstbaus. - ab dem 18. Jahrhundert
Es findet wieder eine verstärkte Ausdehnung der Obstkulturen in die freie Landschaft statt. Förderung der Expansion durch obrigkeitliche Auflagen (jeder hatte einen Pflanz- und Pflegeauftrag, schwere Strafen bei Missachtung). - Anfang des 20. Jahrhunderts
Etablierung von Baumäckern und später zu Baumwiesen. - nach dem 2. Weltkrieg
Verlust des Interesses an Selbstversorgerobstbau aufgrund wirtschaftlicher Aspekte. - 1957
Umstrukturierung des heimischen Obstbaus durch den „Generalplan für die Neuordnung des Obstbaues in Baden-Württemberg“. Folge: Rodung von ca. 14.000 ha Streuobst zwischen 1957 und 1974. - heute
Streuobstwiesen als Schutzgut
Bewohner der Streuobstwiese
Unzählige Tiere finden in den Streuobstwiesen ihren Lebensraum, Futter und Rückzugsort. Im Folgenden stellen wir eine Auswahl dieser Bewohner vor – von Insekten über Säugetiere bis hin zu Reptilien. Bei einigen ist es zudem möglich, deren Stimmen oder Laute zu hören. Klicken Sie hierfür bitte jeweils auf die Audio-Datei unter der entsprechenden Abbbildung.
Vögel
- Gartenbaumläufer (Certhia brachydactyla)
- Blaumeise (Cyanistes caeruleus)
- Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus)
- Grünspecht (Picus viridis)
- Kleiber (Sitta europaea)
- Kohlmeise (Parus major)
- Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla)
- Neuntöter (Lanius collurio)
- Star (Sturnus vulgaris)
- Steinkauz (Athene noctua)
- Stieglitz (Carduelis carduelis)
- Wendehals (Jynx torquilla)
Säugetiere
- Eichhörnchen (Sciurus vulgaris)
- Igel (Erinaceidae)
- Feldspitzmaus (Crocidura leucodon)
- Hermelin (Mustela erminea)
- Wiesel (Mustela nivalis)
- Steinmarder (Martes foina)
- Siebenschläfer (glis glis)
- Iltis (Mustela putorius)
Insekten
- Käfer (Goldlaufkäfer)
- Baumwanzen (Grüne Stinkwanze)
- Schmetterlinge (Pfauenauge, kleiner Fuchs)
- Ameisen
- Bienen
- Großes Heupferd
- Hummel
Reptilien
- Blindschleiche
- Eidechsen