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Spinnenhirn: Woher stammt der Ortsname?
Text: Dr. Norbert Kruse
Bei manchen Ortsnamen lässt sich der direkte, ursprüngliche Bezug zu einem Tier noch heute nachvollziehen; doch konnten Tiere auch indirekt über menschliche Ruf- oder Spitznamen in einen Ortsnamen gelangen.
Im Mittelalter erhielten manche Person zusätzlich zum eigenen Rufnamen (z.B. Friedrich) einen Spitznamen, der körperliche, geistige oder charakterliche Merkmale ausdrückte: Groß, Schieler, Grimm, Kraushaar. Dieser konnte aus dem Tierreich stammen, wenn tierisches Aussehen oder Verhalten als charakteristisch angenommen wurden: Jemand sieht aus oder benimmt sich wie ein bestimmtes Tier: Fuchs, Hase, Wiesel. Dabei wurden auch weniger ansehnliche oder sogar verabscheute Tiere zum Vergleich herangezogen. Sogar Teile von Tieren konnten namengebend werden: Muckenfuß, Ochsenbein, Hühnerwadel. Solche individuellen Spitznamen konnten sich zu festen Familiennamen entwickeln und schließlich zur Bildung von Ortsnamen führen, wenn jemand eine kleine Siedlung gründete, die nach dem Gründer benannt wurde.
So hat auch die Gemeinde Schlier mit Spinnenhirn einen solchen Ortsnamen aufzuweisen. Am Ende des 15. Jahrhunderts – der älteste Beleg stammt aus dem Jahre 1472 – taucht in der Überlieferung der Personenname Spinnenhirn auf, der sicherlich als Spitz- oder Schimpfname einem als verrückt oder „spinnert“ geltenden Menschen verliehen wurde. Er entwickelte sich zum Familiennamen und wurde später auf die Wohnstätte übertragen: 'Siedlung des Spinnerhirn'. Dieser Ortsname ist in Deutschland fast einmalig; nur in der Gemeinde Bodnegg ist ein weiterer Ort mit diesem Namen zu finden.