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Der Stille Bach und seine Weiher: Ein bedeutendes Kulturdenkmal der historischen Wasserbewirtschaftung
Text: Dr. Lutz Dietrich Herbst, Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart, Esslingen/Neckar 2021
Der Rößlerweiher, der Kehrenberger Mühlbach und der Stille Bach sind künstliche Bestandteile der historischen Wasserbewirtschaftung des früheren Benediktinerklosters Weingarten. Jedoch war es nicht dieses Kloster allein, das hier Quellaustritte mit Kanälen und Stauweihern ausbaute.
Bereits 861 erhielten die Benediktiner von St. Gallen unterhalb der ungewöhnlich stark schüttenden Quellen der Kocherlöcher von Unterankenreute Dämme und wohl auch eine Wassermühle. Die Vorsilbe „Ker-, Kehr-“ im Ortsnamen „Kehrenberg“ deutet auf diese technischen Einrichtungen hin. Ebenso hatten die Truchsessen von Waldburg Kehrenberg zum bedeutendsten Zentrum der Wasserkraftnutzung zwischen Waldburg und Weingarten ausgebaut. 1275 mussten sie dieses dem Kloster Weingarten übereignen.
Darüber hinaus hatten die Waldburger östlich von Schlier und östlich von Erbisreute zwei Senken mit beachtlichen Dämmen abgeriegelt und zu Fischweihern geflutet: den Altschlierer Weiher und den Truchsessenweiher. (hier geht es zum Beitrag über den Truchsessenweiher) Durch Verträge erwarb das Kloster zwischen 1350 und 1603 den Altschlierer Weiher sowie Durchleitungsrechte von Kanalwasser im Truchsessenweiher. So hatte es sich sämtliche bautechnisch erreichbaren Quellgebiete oberhalb des Weingartener Martinsberges zugunsten einer unabhängigen Wasserbewirtschaftung „auf ewige Zeiten“ gesichert.

Das 25 km² große Gebiet wurde mit bis zu zehn Teilkanälen und etwa 30 Weihern bewirtschaftet. Dank zahlreicher Publikationen, Medienberichte und eines wasserbauhistorischen Lehrpfades ist das System ein mittlerweile international beachtetes Kulturdenkmal. Im Gegensatz zu ähnlichen Kulturdenkmalen fehlt hier jedoch eine denkmalpflegerische Konzeption für seine Zukunft. Der Kanal wird heute durch die Betreibergesellschaft Stiller Bach unter Federführung des Forstbezirks Altdorfer Wald/Forst BW unterhalten.
Tipp: Entdecken Sie den „Wasserbauhistorischen Wanderweg“ der Gemeinde Schlier und der Stadt Weingarten.
Der dazugehörende informative Führer ist im Rathaus Schlier bzw. in der Tourist-Information Weingarten sowie im Freibad Nessenreben zu den jeweiligen Öffnungszeiten erhältlich.
Der Stille Bach und seine Entwicklung
Die Kartenansichten und der hier einleitende Text sind mit freundlicher Erlaubnis des Kulturamts der Stadt Weingarten dem Führer Wasserbauhistorischer Wanderweg der Gemeinden Schlier und der Stadt Weingarten entnommen.
Der Umfang des Stillen Bachs und seiner Weiher hat sich im Laufe der Jahrhunderte stark verändert. So reichten im Mittelalter zunächst vier Weiher zwischen dem Gebiet des Rößlerweihers und dem Martinsberg aus, um eine ganzjährige Wasserführung zu gewährleisten (vgl. Abbildung 1).
Um 1350 herum gelangten die waldburgischen Weiher zwischen dem Rößlerweiher und Katzheim in den Besitz des Klosters Weingarten. Ihr Wasserregime wurde mit demjenigen des Rößlerweihers verzahnt.
Zwischen 1588 und 1603 sicherte sich das Kloster die Durchflussgarantie jener Bäche, die den Truchsessenweiher beim Fuchsenloch bzw. das Lochmoos nordöstlich von Unternankenreute entwässerten. Auf diese Weise erreichte das Kanalsystem seine maximale Größe mit einem Einzugsgebeit von etwa 22km2 und bis zu 30 Weihern (vgl. Abbildung 2).
Wachstum der Bevölkerung und Verknappung der Ackerfläche führten bereits in der Barockzeit zu ersten Hungersnöten. Deshalb gaben bereits ab 1750 die Klöster ihre Weiher auf, um die Flächen bebauen und bewirtschaften zu können. (...) Die enstandene Situation am Stillen Bach ist bis heute – nach diesen Maßnamen – in etwa gleich geblieben (vgl. Abbildung 3).