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Der Kreuzweg in St. Martin
Text: Dr. Ralf Reiter
Der Kreuzweg in der Schlierer Kirche ist ein ganz besonderes Ausstattungsstück. Die 14 Stationen sind – abgesehen vom Deckenbild - das Einzige, was aus der Zeit des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts noch vorhanden ist.
Fast jede Landkirche verfügt über einen Kreuzweg. Diese werden aber bis heute in kunsthistorischer Sicht kaum beachtet. In Kirchenführern und anderen Beschreibungen werden sie nur selten erwähnt – zu Unrecht.
Den Kreuzweg in der Form mit 14 Stationen gibt es erst seit rund 400 Jahren. Die Päpste Clemens XII. und Benedikt XIV. förderten in der Barockzeit die Kreuzwegverehrung sehr stark. Ab ca. 1750 fanden Kreuzwegdarstellungen dann in großer Zahl Eingang in den Kirchen.
Nach dem Wiedererstarken der Kirche und der beginnenden Welle an Neuausstattungen ab ca. 1850 gab es schließlich einen regelrechten Boom an Kreuzwegen. Aufgrund der großen Nachfrage orientierte sich die Kunstproduktion in diesem Bereich an Vorbildern, die in großer Zahl reproduziert wurden. Das wichtigste Vorbild war der Kreuzweg des Malers Joseph Führich, den dieser in großen Wandfresken in den Jahren 1846–1848 an den Wänden der S. Johannes-Nepomuk-Kirche in Wien verwirklicht hat. Danach entstanden unzählige Kreuzwege als gemalte Bilder, in Metallguss, in Terracotta oder als geschnitzte Reliefs, wobei es auch viele Abwandlungen gab – vor allem Vereinfachungen.
Auch der Schlierer Kreuzweg orientiert sich in der Grundstruktur (Anordnung der Personen) an dem Vorbild Führichs, allerdings in seitenverkehrter Form.
Er könnte durchaus von der berühmten, auch heute noch bestehenden „Mayerschen Hofkunstanstalt“ in München stammen. 1847 gegründet von dem Gebrazhofener Joseph Gabriel Mayer bot diese solche Kreuzwege als Katalogware zu günstigen Preisen an. So fiel es leicht, für die eigene Kirche passende Stationen zu erwerben.
Genaue Auskunft über die Herkunft der Schlierer Stationen würden aber nur Recherchen im Archiv der Pfarrei ergeben. Die Tafeln wurden in neuerer Zeit mit einem passenden Holzrahmen versehen. Dieser Kreuzweg ist eine Zierde des Gotteshauses, das Beachtung verdient.